«Ich treffe jeden Monat die Entscheidung, nach Hause zu gehen» - Telebasel

2022-10-17 18:26:19 By : Ms. Cindy Qu

«Meine beste Freundin hat mich am ersten Tag, an dem der Krieg erklärt wurde, hierher eingeladen. Sie hat gesagt, dass wir hier willkommen sind», erklärt Ulana Makarenko im Interview. Sie sitzt an einem Glastisch in ihrer 2-Zimmer-Wohnung in Allschwil. Gegenüber von ihr sitzt ihre beste Freundin Halyna Rinner und übersetzt vom Ukrainischen ins Deutsche. Halyna ist mit einem Schweizer verheiratet und kam deswegen schon vor einigen Jahren nach Allschwil.

Am Anfang konnten Ulana und ihr 12-jähriger Sohn Jurii zwei Monate lang bei ihrer Freundin unterkommen. Seit vier Monaten haben sie ihr eigenes Zuhause – zwei Zimmer mit einem grossen Balkon und einer tollen Aussicht auf die Stadt. «Als ich hierher in unser eigenes Zuhause zog, brachten ganz viele Leute Kleinigkeiten oder ganze Möbel. Ich musste in dieser Wohnung nichts kaufen ausser einen Staubsauger und einen Wasserkocher», erklärt Ulana.

Sie sei von der Solidarität und der Freundlichkeit der Menschen hier überwältigt. «Die Leute kamen und fragten, wie es uns geht. Sie sprachen ihr Beileid für das ganze Land und die Leute aus», erzählt die Mutter über ihre ersten Wochen in der Schweiz.

Auch sonst fühlen sich Ulana und Jurii sehr wohl in Basel. Sie haben sich gut eingelebt und schon viele Freundschaften geschlossen. Beim Besuch in ihrer Wohnung in Allschwil fällt aber schnell auf, dass sie nicht hier sind, um zu bleiben – die Wohnung ist nur mit dem Nötigsten eingerichtet. Im Schlafzimmer befinden sich ein Pult, ein Kleiderschrank und zwei Matratzen – kein Lattenrost.

Ulana Makarenko sagt, dass sie regelmässig kurz davor stehe, wieder zurück in die Ukraine zu gehen: « Ich treffe jeden Monat die Entscheidung nach Hause zu gehen – das ist wahrscheinlich der Grund, warum die Wohnung nicht so ausgestattet ist. Wir sitzen wirklich jeden Monat fast auf den Koffern und wollen zurückgehen.»

Den Vater von Jurii mussten die beiden in der Ukraine zurücklassen. Er ist aus gesundheitlichen Gründen vom Armeedienst befreit. Dies kann sich aber schnell ändern. «Falls die Mobilisierung verstärkt wird, werden solche Dossiers nochmals neu angeschaut. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch er in die Armee muss», schätzt die geflüchtete Mutter die Lage ein. Spätestens dann wird die Familie ihre Koffer definitiv packen. «Wenn mein Mann ins Militär gehen muss, werde ich auf jeden Fall zurück in die Ukraine gehen, um seine Eltern zu pflegen», so Ulana.

Auch ihr Bruder wird wahrscheinlich in die Armee gehen müssen. «Er hat schon die Einladung zum Einrücken bekommen. Er ist aber Professor an einer Uni und muss deswegen noch nicht gehen», erklärt die Mutter. Emotional sei es laut ihr nicht einfach, damit umzugehen: «Viele aus meinem Freundeskreis gehen in die Armee. Der Gedanke, ob man diese Menschen wiedersehen wird oder nicht, ist sehr schwer zu ertragen .»

Ulana Makarenko arbeitet in der Ukraine an einer Universität. «Ich bin verantwortlich für die Lehrpläne, die Kommunikation mit Dozenten, für internationale Projekte und für den Austausch von Studierenden», erzählt sie über ihre Arbeit. Sie könne ihren Job problemlos online erledigen.

Dies ist jedoch eher eine Ausnahme. Viele Leute aus der Ukraine verlieren ihre Arbeit bei der Flucht aus dem Land. Durch ihren Job bekommt die Mutter weiterhin einen Lohn. Dieser reicht aber nicht aus, um in der Schweiz zu wohnen. Die Sozialhilfe gleicht deswegen aus. Normalerweise würde sie 930 Franken vom Staat erhalten. Durch ihr Einkommen verringert sich dieser Betrag auf 350 Franken im Monat.

Dieses Geld und das helfende Umfeld der Familie in Allschwil machen es Ulana Makarenko und ihrem Sohn möglich hier zu leben. «Es tut sehr gut zu wissen, dass man Unterstützung und Hilfe bekommt», sagt die Mutter dankbar.

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