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2022-10-11 22:40:17 By : Ms. Ivy Chen

Kim Kardashian? „Die wollte die Torte umsonst“, sagt Sylvia Weinstock, also bekam sie gar nichts. Donald Trump? Der habe was Extravagantes gefordert, kaum überraschend, sonst sei er pflegeleicht gewesen, keine Klagen, „wenn man mal von seiner Politik absieht“. Die Kennedys, wie waren die? „Eine ganz bodenständige Familie, die immer wieder gekommen ist.“ Und Sofia Vergara, die kolumbianische Hollywood-Schauspielerin? „Ich wusste nicht, wer sie ist, also habe ich sie gefragt, was sie von Beruf mache.“ Lustige Vorstellung. Aber Vergara sei nicht eingeschnappt gewesen, sie klärte ihr Gegenüber höflich auf und bekam, wie gewünscht, eine fünfstöckige, mit weißen Rosen verzierte Torte zur Hochzeit.

Auch wenn ihre Anekdoten den Anschein erwecken: Die New Yorker Tortenmacherin hütet sich davor, eine „chatterbox“ zu sein – so nennt man die Klatschtanten hier, und wenn die einschlägigen bunten Zeitschriften bei ihr im Büro anrufen und um Informationen, also um Hochzeitstermine, Namen et cetera bitten, dann legt sie schnell wieder auf. Weinstock gibt nur so viel preis, wie ihre Kunden erlauben; alles andere würde das Geschäft verderben. Besser gesagt: Ohne Diskretion hätte sie ihr einzigartiges Geschäft überhaupt nicht aufziehen können.

Kürbis mit cremiger Cashewhaube auf Nuss-Boden: Diese rohe Kürbistarte braucht keinen Ofen und ist nicht nur Halloween-geeignet. Und faule Eier gibts auch nicht. Teil Vier der Reihe „schnell und vegan“.

Sylvia Weinstock ist „Queen of the Cakes“, auf diesen Superlativ haben sich die New Yorker Medien über die Jahrzehnte hinweg geeinigt. „Leonardo da Vinci der Torten“ wurde sie auch schon genannt. Und das in der Welthauptstadt der sehr gehobenen Ansprüche. „Wissen Sie, Prominenz ist so eine komische, kleine Sache. Ich mag einfach keine Diven“, sagt Weinstock. Sie schlägt die Hochzeitseinladungen der Reichschönwichtigen aus und arbeitet lieber, obwohl sie mittlerweile 86 Jahre alt ist, fünf Tage die Woche, pedantisch und leidenschaftlich.

Die einzige Extravaganz, die sich Weinstock, mal ganz oberflächlich betrachtet, leistet, ist diese riesige Brille. Dicker, runder Rand, schieferfarben, größerer Umfang als eine Colabüchse. Die Brille ist gleichzeitig das Logo ihrer Firma. Nicht selten wird sie mit der New Yorker Innenausstatterin und Mode-Ikone Iris Apfel verwechselt, doch man hat den Namen Apf... noch nicht ausgesprochen, da kauzt Weinstock dazwischen: „Ich kenne Iris. Aber ich bin jünger!“ Apfel ist 94.

In Weinstocks Studio in Tribeca, Manhattan sitzen mehrere Frauen an einer Werkbank und formen Blumen aus einer Buttercrememischung. Die Chefin sitzt an einem Glastisch in ihrem Büro und schaut aus dem Fenster. Das macht sie lieber, als ihrem Gegenüber in die Augen zu schauen. Das Telefon klingelt. „Wie viele Gäste?“ Pause. „100, okay. Wir machen dann eine Verkostung.“ Pause. „Gute Wahl.“ Dann schaut sie wieder aus dem Fenster.

Wie wird man überhaupt zur Tortenmacherin? „Meine Mutter war eine schreckliche Köchin. Das war meine Inspiration“, sagt Weinstock, die mit 19 Jahren, kurz nach ihrer Hochzeit, zu der nur ein mickriger Honigkuchen aufgetischt wurde, von Brooklyn nach Long Island zog. Weinstock wollte eine bessere Hausfrau werden – und außerdem Grundschullehrerin. In den 50ern kamen ihre drei Mädchen auf die Welt und wenn die Kinder und ihr Ehemann Ben, ein Anwalt, am Wochenende Ski fahren waren, blieb Sylvia Weinstock zu Hause und backte. Ihre Kuchen verkaufte sie an die lokalen Restaurants und realisierte schnell, „dass „ich das ziemlich gut mache“. Bis in die 70er arbeitete sie vormittags als Lehrerin und nachmittags an ihren Torten.

Als bei Weinstock 1980 Brustkrebs diagnostiziert wurde, verkaufte das Paar sein Haus im Grünen und zog nach Manhattan, um näher am behandelnden Arzt zu sein. „Ich habe in dieser Zeit weiter gebacken, zur Erholung.“ Im Jahr 1982 erwarb das Ehepaar ein marodes, fünfstöckiges Haus in Tribeca für 175.000 US-Dollar. Zwei Jahre lang renovierten sie das Gebäude, richteten oben eine Wohnung ein, unten Werkstatt und Büro. Die 80er-Jahre seien eine exzellente Zeit gewesen, sagt Weinstock. „Die Leute hatten Geld und wollten etwas Extravagantes. Und ich konnte es liefern.“

Das Wort Torte kommt aus dem Lateinischen, „torta“, „rundes Brotgebäck“. Das passt: Weinstock beginnt heute ihre Tage am liebsten mit einer Scheibe Sauerteigbrot, ein paar Tropfen Olivenöl und etwas Salz. Um 6 Uhr klingelt ihr Wecker, beim Frühstück liest sie die „New York Times“, dann kümmert sie sich um ihren 91 Jahre alten Mann, um 8 Uhr steht sie im Büro, nimmt Aufträge entgegen, fertigt Skizzen an, schaut ihren Angestellten über die Schulter und legt selbst Hand an. Gegen 21 Uhr geht sie ins Bett, nie ohne zwei Gläser Wodka getrunken zu haben. Pur, auf Eis.

In ihrem Büro gibt es mittlerweile eine Wall of Fame. Fotos von Ted Kennedy, Eddie Murphy, Mariah Carey, um nur ein paar zu nennen. Immer wieder das gleiche Motiv: kleine Menschen neben riesiger Torte. Zu Weinstocks Kunden zählen Jennifer Lopez, Ralph Lauren, Hilary Clinton und auch das saudische Königshaus. Bei internationalen Aufträgen fliegt sie sogar gelegentlich mit. Eine deutsche Kundin habe sie auch schon gehabt, die kam nach New York, um die Torte persönlich abzuholen. Demnächst seien zwei Hollywood-Schauspielerinnen dran. Wer, will sie nicht sagen.

Lieber möchte sie über die Weltpolitik debattieren. Trump, Rassismus, Integration, Marihuana, Naher Osten. Sie springt von einem großen Thema zum nächsten, von starken Meinungen zu naiven Fragen. Mittlerweile sucht Weinstock auch den Augenkontakt, sie wirkt aufgewärmt. „Es muss Platz für zwei Staaten geben“, sagt Weinstock, die selbst noch nie in Israel war, „das steht noch an.“ Eine jüdische Atheistin sei sie. Und viele jüdische New Yorker seien unter ihren Kunden. Kompliziert wird es, wenn die eine koschere Torte verlangen. „Und wenn der Rabbi dann drei Tage in meinem Büro sitzt, um alles zu kontrollieren, dann wird’s richtig anstrengend.“

Grundsätzlich werde aber fast jeder Wunsch erfüllt. Torten in Form von Autos, Tieren und der Erdkugel zum Beispiel. Bunt glänzen die meisten Exemplare, bis zu drei Meter hoch sind manche. Bei 500 US-Dollar fängt die Preisspanne an. Wo sie aufhört? Geheimnis. Zehntausende Dollar sollen es angeblich sein. So banal wie die Frage nach dem Geheimnis einer guten Torte, so banal scheint auch ihre Antwort: „Frische Zutaten. Viele Torten sehen heutzutage gut aus, sind aber nicht essbar“, sagt Weinstock, die niemals Fondant benutzen würde. Die alte Dame glaubt an Buttercreme.

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