Weilheimer Künstler gewährt Einblicke in seine Arbeit

2022-09-23 17:02:21 By : Mr. Andy Ma

Weilheim – Christian Bolley ist ein freischaffender Künstler aus Weilheim. Er ist unter anderem Mitglied des Künstlerforums Weilheim. Bei einem Treffen gewährte er Einblicke in seinen Schaffensprozess.

Hinter der Tür einer Wohnung in Weilheim ist George Gershwins „Rhapsody in blue“ zu hören. Ein herber Duft durchströmt die Räume bis hin zum Balkon. Es sind die Kleinigkeiten, die Christian Bolley für seinen Schaffensprozess benötigt. Mittags strahlt hier die Sonne, weswegen die Marquise heruntergelassen ist. Am linken Ende ist ein Tisch mit zwei Stühlen zu sehen. Auf der anderen Seite des Balkons eine Staffelei. Ein blauer Beistelltisch mit Acryl- und Aquarellfarben, Kreidestiften, Buntstiften und Finelinern steht daneben. Zwei blaue Glaskugeln liegen im Blumenkasten. Es ist eine von Bolleys Lieblingsfarben. Insbesondere die Nuance Türkis. Diese Farbe findet sich auch in seinen Werken wieder. In diesen versucht er nicht nur Kunst zu schaffen, sondern Leidenschaft auf die Leinwand zu bringen.

Der freischaffende Künstler hat sich auf verschiedene Techniken festgelegt: Mit Acryl malen, Akte zeichnen sowie digitale und manuelle Collagen fertigen. Auf die Collage „my visual diary“ ist er besonders stolz. Das Werk im Querformat hängt in einem Bilderrahmen im Wohnzimmer. Direkt über der Couch. Es besteht aus persönlichen Einzelteilen: Schriftstücken und Bildern. Sie wurden aufgeklebt, überklebt, übermalt – und das mehrere Male. Der Prozess dauerte einige Jahre. „Das Ergebnis steht dabei nicht immer schon zu Beginn fest“, gesteht er. Digitale Collagen fertigt er über Photoshop. Ergebnisse davon stehen im Schlafzimmer zwischen Schrank und Wand gelehnt. Viele davon in seiner Lieblingsfarbe.

Zurück im Wohnzimmer legt Bolley einen Stapel Papiere auf den Glastisch. Darauf sind Körper zu sehen. Dicke, dünne, Männer und Frauen. Sie sitzen, stehen, liegen oder lehnen ihren Rücken an Stühle und Wände. Die Farben Blau, Gelb und Lila überwiegen und stellen die Figuren und ihre Rundungen in den Vordergrund. Die Linien sind mehrmals nachgezeichnet. „Um das zu schaffen, brauche ich immer ein Modell“, sagt er.

Dass Kunst für ihn eine große Rolle spielt, ist neben den vielen Werken in der Wohnung auch an seiner Einrichtung zu erkennen. Die Fensterbank ist gefüllt mit Kerzenhaltern und Porzellanfiguren. Ein alter Metallkoffer fungiert als Sideboard. Das Bücherregal ist aus Glas. Bilder hängen überall an den Wänden.

Bolley ist mit Kunst aufgewachsen. Sein Vater malte Landschaften sowie Portraits und fotografierte. „Das hat er an mich weitervererbt“, erklärt er. Dabei spielt neben Übungen und dem Lernprozess auch Talent eine große Rolle. „Entweder man hat es oder eben nicht“, ist seine Meinung. Im Alter von fünf Jahren begann er figürlich zu zeichnen. Seine Eltern, beide waren Schneidermeister, brachten ihn zu seinem Beruf als Modegrafiker. Zwei Portraits von Mutter und Vater lehnen am Boden gegen das Glasregal. Er lächelt, als er auf die Bilder hinweist. An der Modeschule entdeckte er dann das Aktzeichnen für sich. Heute schafft er seine eigene Art der Kunst. Eine Mischung aus Fotografie, Körper, Malerei und Farben, so wie es ihm seine Eltern vorlebten. Sein Beruf war es, der ihn aus dem Chiemgau nach Weilheim führte. Dort arbeitete er für ein großes Textilunternehmen als Modegrafiker. Früher ein eher ungewöhnlicher Berufsweg für Männer. „Meine Mutter habe ich verloren. Da war ich sechs“, erinnert er sich und blickt zu Boden. Seine Lippen pressen sich zu einer Linie zusammen. Doch sein Vater hat ihn in seiner Berufsentscheidung unterstützt. Nicht selbstverständlich, findet er. Heute im Ruhestand widmet er sich weniger der Mode als dem freien Feld der Kunst. „Den Körper immer wieder neu interpretieren und aufs Papier bringen, ist ein großes Bedürfnis meines künstlerischen Schaffens.“

Bolley ist ein aktives Mitglied im Kunstforum Weilheim und Teil der Künstlergemeinschaft „Die Roseninsel”. Er schafft nicht nur Kunst. Er organisiert auch deren Präsentation mit Ausstellungen – beispielsweise im Stadtmuseum oder dem ZwischenRaum. Er will seine Kunst mit anderen teilen.

Ab und zu arbeitet er in einem Atelier mit der Malfreundin Diana Sandmann in Ramsau bei Bad Heilbrunn. Doch heute malt er auf seinem Balkon, so wie schon viele Male zuvor. Das Werk auf der Staffelei wurde bereits bearbeitet. „Es ist eine Übermalung, eine alte Collage, die mir nicht mehr gefallen hat.“ Der Künstler streicht eine graue Haarsträhne aus seinem Gesicht und richtet seine Brille. Die Collage wurde mit blauen Acrylfarben überdeckt. Lediglich zwei Figuren sind noch zu sehen. Die Fotografie eines nackten Mannes rechts unten und links die Aktzeichnung einer Frau. Eine weitere Frau wurde vorne in der Mitte platziert. Sie trägt ein Kostüm und Brille.

Ein Borstenpinsel taucht in die gelbe Aquarellfarbe auf dem Beistelltisch. Der Künstler dreht den Pinsel so lange, bis er die Farbe aufgenommen hat. Ein, zwei Handbewegungen und die Aktzeichnung strahlt in Gelbtönen. Rückt mehr in den Vordergrund. Er malt, ohne nachzudenken. Die Farbfindung erfolgt intuitiv. Wie auch seine Bilder zuvor besticht dieses mit Farbenvielfalt. Und so macht Bolley weiter, intensiviert den blauen Hintergrund. Farbe landet auf einer Figur. Der Künstler nimmt sich den Lumpen von der Balkonkante und wischt sie weg. Dabei sagt er nichts. Seine Hände sind ruhig. Das Bild ist gerettet.

Rechtecke und Diagonalen sind auch zu sehen. „Das erzeugt Räumlichkeit“, erklärt er. Er greift an die Fensterbank und hält ein Geodreieck. Dieses platziert er auf einem weißen Quadrat. Circa einen halben Zentimeter von der Kante in das Quadrat hinein. Das Hilfsmittel hält er in der einen Hand. Mit der anderen greift er nach einem hellblauen Buntstift auf dem Beistelltisch und fährt die Linie nach, bis alle Kanten fertig sind.

Daneben sind sogenannte Nasen in Rot zu sehen. Farbe, die bewusst herunterfließt. Das Werk ist eine Mischtechnik. Eine Collage, eine Übermalung, neue Elemente in Acryl, Aquarell und Akzente mit Buntstift und Kreidefarben.

Darunter schimmert das alte Muster hervor. Je nachdem, von welcher Perspektive es betrachtet wird. „Das ist der Reiz der Transparenz“, erklärt der Kunstschaffende. Das Spiel mit den Perspektiven.

Für einen Moment bleibt er vor dem Bild stehen, ohne sich zu bewegen. Er denkt nach. „Es ist schwierig, den Punkt zu finden, an dem man aufhören muss. Darum geht das zu zweit immer besser mit der Kunst“, sagt Bolley. Er widmet sich wieder der Leinwand. Im Hintergrund läuft noch immer Gershwin.

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