Warum MS-Patienten Milchprodukte meiden sollten | Gesundheitsstadt Berlin

2022-10-13 09:05:56 By : Mr. Eric Pan

Neurologische Störungen nach einem Glas Milch: Bei MS nichts Ungewöhnliches – Foto: © Adobe Stock/ Pormezz

Über den Gesundheitswert von Milch ist seit Jahren eine kontroverse Debatte in Gang. Die einen sehen in Milchprodukten nach wie vor eine gesunde Kalziumquelle. Andere behaupten, dass Milch krank machen kann. Zu dieser Fraktion gehört etwa Dr. Bodo Melnik von der Universität Osnabrück. Der Humanmediziner sagt, dass Wachstumsfaktoren in der Kuhmilch sogar zu Krebs führen können.

Interessant ist darum, was MS-Forscher von den Universitäten Bonn und Erlangen-Nürnberg jetzt herausgefunden haben. Ausgangspunkt für ihre Untersuchung war, dass Menschen mit Multipler Sklerose(MS) nach dem Konsum von Milchprodukten häufig über stärkere Krankheitssymptome klagen. Das Forscherteam wollte darum wissen: Gibt es einen ursächlichen Zusammenhang? Und wenn ja, welcher Stoff in der Milch löst die Krankheitssymptome aus?

Um das herauszufinden, injizierten sie Mäusen verschiedene Proteine aus der Kuhmilch. Tatsächlich zeigte sich: Bekamen die Tiere den Kuhmilch-Inhaltsstoff Casein zusammen mit einem Wirkverstärker verabreicht, entwickelten die Mäuse danach neurologische Störungen. „Unter dem Elektronenmikroskop zeigte sich, dass bei ihnen die Isolierschicht um die Nervenfasern geschädigt war, das Myelin“, erläutert MS-Forscherin Stefanie Kürten vom Universitätsklinikum Bonn.

Genau diese Myelinummantelung wird auch bei MS vom körpereigenen Immunsystem zerstört. Nervenreize können dann nicht mehr richtig weitergeleitet werden, was zu Missempfindungen über Probleme beim Sehen bis hin zu Bewegungs-Störungen führen kann. Auch in den Mäusen war die isolierende Hülle massiv durchlöchert - offensichtlich ausgelöst durch die Casein-Gabe. „Als Grund vermuteten wir ähnlich wie in MS-Kranken eine fehlgeleitete Immunreaktion“, erklärt Rittika Chunder. „Die körpereigene Abwehr attackiert eigentlich das Casein, zerstört dabei aber auch Proteine, die an der Bildung des Myelins beteiligt sind.“

Weitere Untersuchungen ergaben, dass ein Protein namens MAG ebenfalls vom Immunsystem attackiert wurde. Dieses Protein ist wichtig für die Produktion von Myelin und sieht dem Casein aus der Kuhmilch in manchen Bereichen sehr ähnlich. Das Immunsystem scheint also beide Moleküle miteinander zu verwechseln.

Diese sogenannte Kreuzreaktivität erklärt den Forschenden zufolge, warum viele MS-Patienten so heftig auf Milchprodukte reagieren. Das Immunsystem stellt demnach massenhaft Casein-Antikörper her, die aufgrund der Kreuzreaktivität mit MAG auch die Myelinschicht um die Nervenfasern schädigen. Davon seien allerdings nur MS-Kranke betroffen, die gegen Kuhmilch-Casein allergisch sind. „Wir entwickeln momentan einen Selbsttest, mit dem Betroffene überprüfen können, ob sie entsprechende Antikörper in sich tragen“, erklärt Gruppenleiterin Kürten. „Zumindest diese Subgruppe sollte auf den Konsum von Milch, Joghurt oder Quark verzichten.“

Die MS-Forscherin hält es außerdem für möglich, dass Kuhmilch auch bei Gesunden das MS-Risiko erhöht. Denn auch bei ihnen könne Casein Allergien auslösen – theoretisch könne es dabei auch zu einer Kreuzreaktivität mit dem Myelin kommen. Gesichert sind diese Erkenntnisse zwar noch nicht, doch die Forscherin verweist auf Studien, wonach in Bevölkerungsgruppen, in denen viel Kuhmilch konsumiert wird, auch mehr Fälle von Multipler Sklerose auftreten.

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