Landarzt aus Überzeugung: Rottenbucher Mediziner auch mit 80 Jahren noch für Patienten da

2022-09-23 17:01:54 By : Ms. Amanda zhang

Wenn Patienten ihn brauchen, dann schwingt er sich schon mal aufs Fahrrad: Dr. Jürgen Hach ist Landarzt aus Überzeugung – und Begeisterung. Seit fast 48 Jahren versorgt er Menschen in seiner Praxis in Rottenbuch, oder eben bei ihnen daheim. Und ist auch mit 80 Jahren noch für sie da.

Rottenbuch – Ein bisschen verlegen wurde Dr. Jürgen Hach dann schon, als er so vor seinem Haus stand. Die Musikkapelle Rottenbuch war aufmarschiert, spielte für den Allgemeinmediziner gleich mehrere Stücke. Ein Gruß zum 80. Geburtstag. Und wie Hach so durch die Reihen schaute, da schmunzelte er. „Da habe ich ja schon einige von euch ganz klein erlebt“, sagte er. Kein Wunder: Hach ist Hausarzt in Rottenbuch. Seit fast 48 Jahren.

Und entsprechend so bekannt, wie es normalerweise nur die ganz Alteingesessenen sind. Aber wer wie Hach die Großen und Kleinen des Dorfs bei Wehwehchen versorgt und durch schlimme Krankheiten begleitet, den kennt man halt. Als nun ein Musiker nach dem anderen Hach gratuliert hatte, da flüsterte einer der Männer seinem Nebenmann zu: „Er kann nähen, sag ich dir. So gut wie keiner.“ Ja, in seiner Zeit in Rottenbuch dürfte Hach so einige Wunden versorgt haben. Und er ist auch weiter für seine Patienten da. Mit 80 Jahren sieht der Mediziner keinen Grund zum Aufhören.

„Es macht mir einfach Spaß“, sagt Hach später im Gespräch mit der Heimatzeitung. Die Arbeit gebe ihm „ein geordnetes Leben“. Einige Weggefährten würden sich mittlerweile im Ruhestand langweilen. Ihm passiere das nicht. Und einige Patienten sind froh über sein Durchhaltevermögen, weiß er. „Sie bitten mich sogar darum, so lange zu arbeiten, wie sie noch leben.“

Ganz allein aber muss Hach die Hausarztpraxis nicht stemmen. Mit ihm ist neben zwei Arzthelferinnen auch seine Schwester Friederike Gruse mit an Bord – und das auch schon seit 30 Jahren. Ihre Unterstützung ermöglicht es Hach, dass die Praxis immer besetzt ist – auch, wenn er mal wieder Hausbesuche macht.

Ein Service, den er so oft nicht abrechnen kann, den er aber seinen treuen Patienten gern anbietet. Hach ist nicht nur in Rottenbuch, sondern auch in Nachbardörfern als radelnder Arzt bekannt, der auf zwei Rädern zum Hausbesuch kommt. Erst kürzlich fuhr er wieder eine Runde nach Wildsteig und Bad Bayersoien. Früher mit dem Rennrad, heute mit dem E-Bike. Mit einem besonders schnellen, das bis zu einer Geschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde unterstützt. „Sonst sind es nur 25 km/h, da tapp’s ich ja wie ein Blöder“, sagt er und lacht.

Dass er auch im Umkreis Patienten betreut, hat zwei Gründe: Wildsteig hat keinen eigenen Hausarzt. Und Bad Bayersoien hatte keinen, als Hach in Rottenbuch begann. Mittlerweile ist dort zwar ein Allgemeinmediziner ansässig, „aber viele meiner Patienten sind mir treu geblieben“. Und er ihnen.

So, wie er Rottenbuch treu geblieben ist. Bis er allerdings dort sesshaft wurde, war Hach stets ein Reisender. Anfangs war das politisch bedingt. Geboren wurde er 1942 in Litzmannstadt, dem heutigen polnischen Lodz. Die Familie flüchtete Richtung Westen, landete in Niedersachsen, später in der Nähe von München, dann zog es sie erneut nach Niedersachsen. Als Student besuchte Hach die Universitäten in Kiel, Erlangen, Innsbruck und Hamburg. „Immer auf der Flucht“, beschreibt er seine jungen Jahre mit einem Schmunzeln. Dann kam er als angehender Arzt ins Krankenhaus Schongau. Auf der Suche nach einer eigenen Landarztpraxis liebäugelte er anfangs mit Kinsau – und entschied sich dann für Rottenbuch, wo zu dieser Zeit dringend ein Arzt gesucht wurde.

Viel Zeit zum Vorbereiten blieb nicht. Am 13. Oktober 1974 hatte Hach ein Vorstellungsgespräch. „Ja, dann fangen sie mal morgen an“, wurde ihm da gesagt. Es wurde schließlich der 16. Oktober. „An den ersten Tag erinnere ich mich noch düster“, sagt er. „Ich hatte 64 Patienten, keine Ahnung und keine Möbel.“ Ein alter Tisch und zwei Stühle mussten reichen. Und eine Schreibmaschine.

Letztere fuhr der Mediziner zu dieser Zeit noch täglich mit dem Auto spazieren. Denn Hach war ja noch im Krankenhaus angestellt, brauchte sie auch dort. Eigentlich war es gar nicht erlaubt, zusätzlich als niedergelassener Arzt zu arbeiten. Doch daran störte sich damals keiner. Hach blieb in Schongau gefordert – was auch an seiner Wohnsituation lag. Er lebte in Räumen des Krankenhauses. „Direkt über dem OP“, schildert er. „Wenn nachts ein Assistent gebraucht wurde, haben sie mich aus dem Bett geworfen.“

Ab Januar 1975 war Hach dann vollständig niedergelassener Arzt. Er kaufte das Haus, in dem heute seine Wohnung und die Praxis sind. Die ersten Vorhänge nähte er selbst. Die Küche baute er ebenfalls. „Ich bin handwerklich schon begabt“, sagt er und zeigt auf seinen Couchtisch. Auch ein Werk von ihm, die Füße sind aus Holz, die Tischplatte besteht aus einer Glasscheibe. „Die stammt aus dem Krankenhaus Schongau“, verrät er – bei Umbauarbeiten wäre sie sonst auf dem Müll gelandet. So aber steht sie als Andenken im Wohnzimmer.

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Von dem aus kann er durch die Fensterfront Richtung Berge schauen. Dorthin zieht es Hach noch regelmäßig. Zum Skifahren. Und mindestens einmal im Jahr auch zum Snowboarden. „Das habe ich mit 42 Jahren noch gelernt.“ Er liebt den schönen, weichen Schnee. „Ich fahre gemütlich.“

Wenn’s um die Patienten geht, dann lässt sich der Arzt aber keine Zeit. Während heute außerhalb der Sprechzeiten vieles vom ärztlichen Bereitschaftsdienst abgedeckt wurde, hat Hach früher öfter auch in seiner Freizeit Menschen versorgt. Die forderten das auch gerne ein. Hach schmunzelt. Und erinnert sich an einen Mann mit schweren Herzproblemen. Ab und an rief er Hach an, schilderte, dass es ihm schlechter ginge und bat um eine Spritze – die er auch bekam. Eines Tages sah der Doktor kurz nach seinem Besuch, wie der Mann mit dem Auto davonfuhr. „Seine Tochter sagte mir dann, „dass er mich immer nach der Spritze fragte, wenn er in die Wirtschaft wollte.“

Ebenfalls den Wunsch nach einer Spritze äußerte mal eine Frau. Sie stoppte dafür Hach, der gerade mit dem Auto unterwegs war. Wegen starker Rückenschmerzen bat sie um Hilfe. Als Hach ihr sagte, er könne zu ihr kommen, winkte sie ab, entblößte einen Teil ihres Hinterns und streckte ihn Richtung Autofenster. „Ich sollte das gleich dort machen.“

Im Laufe eines Arztlebens häufen sich einige solcher Geschichten an. Witzige, schöne, aber auch traurige und schlimme. Hach kann viele seiner Patientenakten auswendig. „Mir fällt nicht immer gleich der Vorname ein, wenn ich jemanden sehe“, sagt er. Aber die durchgemachten Krankheiten seiner Patienten weiß er – oftmals auch jene der Eltern.

So manches Mal begegnen ihm auch seltene Erkrankungen. Dann geht Hach auf Ursachensuche. „Da schaue ich in meinen Büchern nach“, sagt er. Das Internet braucht er nicht. „Die Krankheiten ändern sich doch nicht.“ Auch nicht in 48 Jahren.

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