Künstler, Influencerin & Mäzen: Homestories aus Frankfurt & Rhein-Main

2022-10-08 19:45:33 By : Ms. ping xiao

Die private Umgebung verrät viel über den Charakter und Lebensstil eines Menschen. Schon der erste Eindruck beim Betreten eines Zuhauses spiegelt uns spontan die Persönlichkeit des Menschen, der hier lebt. Drei Persönlichkeiten aus Rhein-Main gewährten uns intime Einblicke in ihr privates Reich. Lassen Sie sich inspirieren, wie vielfältig Modern Living sein kann. Und wie kreativ Künstler Marco Mehn in Glashütten, Immobilienmaklerin und Influencerin Angelika Hanel in Frankfurt und Stifter Horst Raule in Wiesbaden ihre ganz persönlichen Wohnträume verwirklicht haben.

Modernes Design, edle Materialien und technisch top: Künstler und Designer Marco Mehn und seine Frau Tina haben sich vor elf Jahren mit Unterstützung von Architekt Wolfgang Matz ihr Traumhaus in Glashütten gebaut. Repräsentativ sollte es sein und kompromisslos individuell: „Sie werden hier nichts entdecken, was Sie bereits irgendwo anders schon einmal gesehen haben. In dem Moment, wo ein Teil ins Möbelhaus und somit in die breite Masse getragen wird, rangieren wir es sofort aus.“ Eine Ansage.

Wohnen, das bedeutet für Marco Mehn Kante zeigen. „Wenn man einen Raum betritt, der zwar eingerichtet ist, aber keinen Stil erkennen lässt, spiegelt er für mich keine Persönlichkeit. Ich finde schon, dass eine Wohnung etwas über den Menschen, der darin wohnt, aussagt.“ Keine Frage, dass die Luxus-Immobilie des Paares im Bauhaus-Stil von der Garage bis zum Dach die kreative Handschrift des Eigentümers trägt.

Die schillernden Bilder und Skulpturen hat er geschaffen, Möbel und Lampen selbst entworfen. Auch den Steinboden in braun-metallischen Goldtönen, der alle 570 Quadratmeter Grundfläche inklusive Garage bedeckt. Geradlinigkeit und Ästhetik sind für das Paar oberste Maxime, die hochwertigen Materialien müssen was aushalten können und pflegeleicht sein: „Unser Boden hat schon viele, viele Partys erlebt, auch viele kaputte Gläser und Flaschen. Die grauen und bräunlichen Matt- und Glanzflächen verraten jedoch keine Gebrauchsspuren. Kein Gast muss bei uns die Schuhe ausziehen,“ lächelt Mehn. Parkett käme ihm nie ins Haus. Weiche, hochwertige Teppiche in der Farbgebung der jeweiligen Räume verströmen Wohnlichkeit und Wärme.

Die Küche verbindet Esszimmer und Wohnbereich und war vor elf Jahren Deutschlands erste und einzige Küche mit vollverglasten Fronten und Kanten, wie Mehn nicht ohne Stolz erzählt. Nicht einmal Griffe an Schränken und Schubladen stören das puristische Design, das schon unzählige Koch-Sessions, Partys und Familienfeiern erlebt hat: „Glas ist das perfekte Material – es sieht immer aus wie neu und ist leicht sauber zu halten,“ sagt Tina Mehn. Für die 400 Quadratmeter umlaufende Fenster mit Terrassen- und Balkontüren rücken allerdings regelmäßig Profis an.

Das Paar liebt es, Stimmungen mit Licht zu schaffen: Dutzende Strahler und Lampen lassen sich überall im Haus individuell anschalten und dimmen. Die spektakulären Kronleuchter in Esszimmer und Treppenhaus hat Mehn entworfen und aus Kristallen anfertigen lassen. Das puristische Wohnbad verschmilzt mit dem Schlafzimmer zu einem Raum, thermisch und optisch voneinander getrennt durch eine Glasplatte.

„Meine Frau und ich haben einen gemeinsamen Tick: Es muss immer alles stimmig sein. Wenn was rumliegt oder rumsteht, fühlen wir uns unaufgeräumt.“ Tatsächlich lenkt nichts von der Geradlinigkeit des Designs ab – kein Salzstreuer in der Küche, keine Brille auf dem Couchtisch oder Zahnbürste im Bad. Der Trick offenbart sich mit einfachen Handgriffen: In zahlreichen Fächern und Schubladen hinter Wandverkleidungen, Anrichten und Holzelementen werden Fernbedienungen, Feuerzeuge, Frauenzeitschriften oder Füllfederhalter gelagert und nur bei Bedarf hervorgeholt. Die Seife verschwindet in einer versteckten Klappe in der freistehenden Badewanne, die Dusch-Utensilien hinter Spiegeln und versiegelten Wänden. „Unser Leben ist strukturiert, und strukturiert ist auch die Umgebung, in der wir leben. Anders würden wir uns überhaupt nicht wohlfühlen,“ sagt Mehn.

Ein Faux Pas wie die Anschaffung der weißen Designcouch vor elf Jahren würde den beiden heute nicht mehr passieren. Die war „superschön, aber null bequem“ und wich einige Rückenbeschwerden später einem gemütlichen Modell. Das wiederum passte weder zum platinverkleideten Kamin noch in die klare Gesamtoptik des Wohnbereichs. Es war der Moment, in dem das Paar beschloss, seine Möbel fortan individuell fertigen zu lassen. Heute verleiht eine großzügige Polsterlandschaft aus silberglänzendem, changierendem Samt behagliche Eleganz. So einladend, dass man augenblicklich niedersinken und mit dem Handrücken über den schimmernden Stoff streichen möchte. Auch das Ehebett ist mit einem aufregenden Bezug aus Platinstoff veredelt worden.

Als Ankleidezimmer fungiert ein Ensemble aus weißen Türen, Wänden und Schubladen. Kein Kleidungsstück, Bügel oder Schuh lugt hervor. Tina Mehn zeigt uns strahlend ihren Wäscheschacht, auf den sie bei der Planung des Hauses bestanden hatte: „Wenn ich hier was reinwerfe, landet das genau im Keller in meinem Wäschekorb.“ Ein Luxus, auf den sie nicht verzichten möchte. Ebenso wie auf die geräumige Sauna, von der aus man direkt in den Pool im Garten eintauchen kann.

Das gesamte Haus nutzt Mehn als Ausstellungsfläche für seine kraftvollen Kunstwerke, die er weltweit vermarktet – weshalb das Interieur ständig im Wandel ist. Derzeit sind es der goldpolierte Stierkopf neben dem Kamin, die hochglänzenden „Spacy Balls“ in der von ihm patentierten Space Frame-Technik am Esstisch oder die Tierporträts der „Big Five“ im Treppenhaus, die sich wie selbstverständlich integrieren und miteinander zu kommunizieren scheinen: „Jedes will sich den Gästen von seiner interessantesten Seite zeigen,“ lächelt Mehn. Die konzentrierte Kreativität seines Zuhauses, sagt er, inspiriere ihn täglich aufs Neue. Und natürlich Ehefrau Tina: „Meine Muse.“

Die elegante Vierzimmer-Wohnung im Frankfurter Westen atmet in jeder Ecke die DNA der Mieterin, gibt sich stylish, elegant und außergewöhnlich. „Ich finde es schön, meine Umgebung ein bisschen zu überladen“, lächelt die selbstständige Immobilienmaklerin und Influencerin Angelika Hanel, die ebenso wie ihr Zuhause Charme, stilvollen Glamour und einen Hauch Extravaganz verströmt.

Wunderschöne Hortensien, Forsythien und Eukalyptuszweige, dramatisch arrangiert, begrüßen die Besucher in einer über und über mit Muscheln besetzten Vase gleich hinter der Wohnungstür im Eingangsbereich – ein Wow-Effekt schon beim Eintreten! Erst eine flüchtige, neugierige Berührung verrät, dass dieser üppige Strauß wohl ewig haltbar ist: „Ich verrate Ihnen was. Ich mag Kunstblumen!“, lacht Angelika Hanel und bittet uns hinein. „Ich will nämlich überall Blumen haben, auch im Büro und in der Diele. Wenn meine Sträuße alle echt wären, käme ich mit Pflege und Wasserwechseln gar nicht nach.“ In Küche und Wohnzimmer aber duften jede Woche neue, ausladende und extravagante Sträuße von ihrem Lieblingsfloristen Heiko Bleuel.

Angelika Hanel, Immobilienmaklerin und Influencerin, lebt im 1. Stock eines unauffälligen 60er-Jahre-Hauses. „Ich finde es schön, meine Umgebung ein bisschen zu überladen“, lacht sie zur Begrüßung. Wohnen und Leben ist die Passion der selbstständigen Unternehmerin (Hanel Residential Partners), beruflich und privat. Mit ihrer Tochter Clarissa betreibt Angelika den Insta-Account @TeamVogueUp, bei dem es um Fashion und Wohnen geht. Auch auf ihrem individuellen Account @VogueUpMom hat sie Tausende Follower.

Die beiden sind ein super Team: Erst mit 25 verließ Clarissa das Hotel Mama. Heute lebt sie mit ihrem Mann auf der anderen Straßenseite. „Dass die beiden vor zwei Jahren eine Wohnung schräg gegenüber gefunden haben, finde ich toll. Clarissa kommt oft zu mir rüber. Sie ist bei mir für das Kochen zuständig, und wir arbeiten hier zusammen an unseren Social-Media-Auftritten.“

Während die Tochter gerne und gesund kocht, bedeutet ihre Wohnküche für Angelika eher Relax- und Rückzugszone. „Meine Lieblingsecke ist der Bistrotisch. Hier sitze ich immer, lese oder telefoniere.“ Tisch und Stühle sind auf einem braun-weiß gescheckten Kuhfell platziert, das Angelika schon seit 2000 begleitet. „Im Laufe der Zeit hat sich bei mir ein bisschen was angesammelt. Ab und an schaue ich mal, was ich wieder ausräumen kann – aber es bleibt immer viel zu viel übrig“, lacht sie.

Zeitgenössische Kunst aus New Yorker Galerien, Boden- und Wandlampen in allen Variationen (Deckenleuchten mag sie nicht so sehr), gemütliche Kissen, Felle, Teppiche, Sessel und Polsterlandschaften fügen sich zu einem harmonischen Ganzen. „Der Wohlfühlfaktor steht für mich an erster Stelle. Wenn man einen angenehmen Raum schafft, entstehen positive Vibes, und auch die Gäste fühlen sich wohl“, erklärt Angelika Hanel. Auf die Frage, wie sie ihren Einrichtungsstil beschreiben würde, kommt ihr Tochter Clarissa zuvor: „Exzentrisch! Wie meine Mama selbst. Die Wohnung spiegelt all ihre Facetten wider. Sie ist bunt und laut und herzlich und warm.“

Bequeme Polsterstühle aus Cord und Leder und in verschiedenen Rot-, Orange- und Rosatönen bilden im Wohn-Essbereich einen reizvollen Gegensatz zum puristischen Tisch mit Metallrahmen und Keramikplatte. Das ansprechende Ensemble hat Angelika Hanel bei „Kontrast“ in der Hanauer Landstraße entdeckt. „Da hab ich Auswahl, Fläche und kann mir vieles angucken. Ich mag die Mischung und das Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Sie fügt lachend hinzu: „Ich lasse mich auch manchmal bei Ikea inspirieren. Läden, in denen ein Kissen 300 Euro kostet, sind mir zu teuer.“

Siebzehn Mal ist Angelika Hanel in ihrem Leben umgezogen, wohnte in Bozen und Oslo, in Berlin und Cleveland. „Meine Mutter hat oft gewechselt. Wohnungen, Jobs und manchmal auch den Partner“, erzählt Clarissa. „Für mich war das immer o. k. Mein Zuhause ist da, wo meine Mama ist.“

Den ganzen Sommer über wird die großzügige Terrasse der 150-Quadratmeter-Wohnung zum zweiten Wohnzimmer. Der Treffpunkt von Familie und Freunden. In die sonnige Terrasse hatte sich Angelika Hanel bei der Besichtigung vor vier Jahren schockverliebt: Südseite, Blick in den Garten und im Frühjahr verwandelt sie die 40 Quadratmeter unter freiem Himmel in ein Blumenmeer.

Clarissas Lieblingszimmer ist übrigens Mamas Ankleidezimmer – Mutter und Tochter haben die gleiche Kleidergröße und lieben es, hier ihre Looks auszuprobieren. Clarissa bedient sich oft an Mamas Kleiderschrank, was Angelika ganz toll findet: „Ich liebe es! Schade, dass wir nicht die gleiche Schuhgröße haben. Daher kaufen wir Schuhe oft doppelt“, sagt sie. „Das ist schon ein bisschen ärgerlich.“

Beim Einrichten jedoch hat das Mutter-Tochter-Dream-Team einen recht unterschiedlichen Geschmack. „Bei mir ist es viel heller und luftiger. Mama hatte früher noch viel eher ein Faible für Antiquitäten. Wir hatten auch mal verschnörkelte Möbel mit Löwenfüßen“, verrät Clarissa und fügt hinzu: „Deine jeweilige Wohnung hat sich immer dir angepasst. Nicht du der Wohnung.“

„Stimmt“, lacht Angelika, „heute empfinde ich Antiquitäten eher als etwas Vermufftes.“ Sie macht eine kleine Pause: „Das ist wohl eine Altersfrage. Aber wie Sie sehen, gibt es noch ein paar Relikte von damals wie meine goldumrandeten Spiegel.“ Sie seufzt: „Ich bin nun mal kein Arztpraxistyp, mag es nicht zu minimalistisch. Zu Hause gönne ich mir den Luxus, meinen eigenen Stil zu leben, da kann ich mich austoben. Ich bin halt immer ein bisschen Too Much. Definitiv.“

Alles originalgetreu: In Wiesbaden hat sich Horst Raule nicht nur einen architektonischen Traum erfüllt. Er verdiente sein Geld mit Mietautos. Heute betreibt er eine Stiftung für hochbegabte Kinder. Und zwischendurch restaurierte er ein Kleinod des praktizierten Denkmalschutzes.

Wer durch das östliche Wiesbadener Villengebiet schlendert, dem fällt sofort ein Anwesen auf, das auch aus einem Film von Walt Disney stammen könnte: Edel und stolz recken sich ein Hauptturm und zwei Ecktürmchen mit Spitzhaube in den Himmel. Zwischen Fachwerkbalken grüßen rote und helle Ziegel. Es ist beinahe unmöglich, von diesem Schlösschen nicht in Bann gezogen zu werden. Unwillkürlich wird sich jeder Betrachter fragen, wie es hinter den bleiverglasten Fenstern zugehen mag. Wer hier wohl wohnt. Und welche Geschichte dieses Haus erzählen könnte.

Es ist die Geschichte des Horst Raule und des Albrecht zu Solms-Braunfels. Vor nahezu 40 Jahren kaufte Horst Raule das Solmsschlösschen. Damals machte den gebürtigen Mannheimer ein Makler auf das Gebäude an der Ecke von Solmsstraße und Gustav-Freytag-Straße in Wiesbaden aufmerksam. Der Unternehmer, dem man seine 85 Jahre nicht ansieht, weiß noch heute, wie er auf den Anblick des neogotischen Schlösschens reagierte: „Obwohl das praktisch eine Ruine war, war ich sofort begeistert.“

Was Horst Raule sah, war ein Haus des Historismus, also jener Epoche, die sich in Ermangelung eines eigenen Stils auf vergangene Jahrhunderte besann, also auf die Formensprache der Romanik, der Gotik, der Renaissance oder des Barock. Der neogotische Stil des Solmsschlösschens war erhalten geblieben, doch die Pracht war verblichen, das Gebäude halb verwunschen, halb heruntergekommen, die Fenster aus schmucklosem Glas, in der Halle stand ein Gerüst, im Garten eine unansehnliche Garage. Überall fanden sich die Spuren des Niedergangs – die Räume abgewohnt, zum Teil durch Einbauten und Anstriche grotesk entstellt, die Stofftapeten lieblos mit Farbe überstrichen; lediglich der opulente historische Leuchter, der noch heute in der Halle von der Decke strahlt, war erhalten geblieben. Der Makler erzählte, die Eigentümergemeinschaft habe vor, den einstigen Adelssitz in lauter Eigentumswohnungen zu parzellieren. Horst Raule erinnert sich an seine damalige Reaktion: „Das wäre eine Schande gewesen.“

Als er 1983 das Haus kauft, ahnt er, dass die Sache teuer und langwierig wird. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Es wird bis 1996 dauern, bis sich alles im gewünschten Zustand befindet. Denn Horst Raule, der aus kleinsten Anfängen die einst drittgrößte deutsche Autovermietung schuf, ist Perfektionist: Alles soll nach Möglichkeit in den Originalzustand versetzt werden, gleichzeitig aber auch modernsten Ansprüchen an Komfort und Technik entsprechen.

Die Denkmalschützer waren begeistert von diesem Drang nach originalgetreuer Leistungsvollkommenheit. Der Buchautor und frühere Wiesbadener Stadtkonservator Berthold Bubner hat bei Gelegenheit über den Bauherrn Horst Raule gesagt: „Er war begeisterungsfähig, leidenschaftlich, er konnte zuhören. Und er nahm sich trotz seiner beruflichen Belastung für die Verschönerung seines Anwesens sehr viel Zeit. Kurzum: Ich habe die ganze Zusammenarbeit mit ihm als ein großes Glück begriffen.“

Und so bietet sich das Solmsschlösschen seinen Gästen längst als wiederauferstandenes Gesamtkunstwerk dar: Auf jedem Quadratzentimeter ist die ordnende Hand des „Schlossherrn“ zu spüren. Der staunende Besucher kann sich gar nicht sattsehen an all den Gemälden, antiken Möbeln, Ritterrüstungen, Gläsern, Lampen, Vasen, Karaffen, Statuen. In einem Eichenregal finden sich die antiquarischen Gesamtausgaben von Goethe, Heine und Hölderlin. Mayers Konversationslexikon in vierzehn Bänden stammt aus dem Jahr 1896. Kurz vor dieser Zeit, in den Jahren 1890 bis 1892, hat Albrecht Prinz zu Solms-Braunfels das Solmsschlösschen errichten lassen. Nach Wiesbaden war der Prinz im Frühjahr 1889 gereist, um sich im Kurhotel Quisisana von Kriegsverletzungen zu erholen, er hatte am Deutsch-Dänischen Krieg 1864 und am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teilgenommen.

Zur selben Zeit wie der Prinz nahm Ebba Lavonius aus Finnland in diesem Wiesbadener Hotel Quartier. Die bildhübsche junge Finnin mit den vergissmeinnichtblauen Augen war die Tochter des Gouverneurs der nordfinnischen Provinz Oulou. Sie und der schmucke deutsche Prinz verliebten sich sehr schnell ineinander und wurden schon wenige Monate später in der Wiesbadener Bergkirche getraut.

Mit dem Bau des Schlösschens beauftragte Prinz Albrecht den Architekten Ferdinand Schorbach. Der Hannoveraner entwarf neben Privathäusern etliche Fürstensitze, etwa das Schloss Cumberland für Herzog Ernst August von Cumberland in Gmunden in Österreich. Auch das Mausoleum für Otto von Bismarck in Friedrichsruh wurde von ihm gestaltet.

Den Grundriss des Hauses legte Schorbach nicht streng rechteckig oder quadratisch an. Um die zweigeschossige Halle im Erdgeschoss, den riesigen Rittersaal, gruppieren sich die heutige Küche, das Schreibzimmer –jetzt das Büro von Horst Raule –, der stattliche Salon mit dem leicht erhöhten Fenstererker, die Hauskapelle, die Gartenveranda und das Nebentreppenhaus, das ursprünglich für die Bediensteten vorgesehen war.

Das erste Geschoss wird von der umlaufenden Galerie dominiert. In dieser Etage liegen und lagen die Schlafzimmer der einstigen wie der heutigen Bewohner. Hier findet sich auch das vollständig wiederhergestellte Nordische Zimmer. Es sollte der Prinzessin aus Finnland ein heimatliches Gefühl vermitteln und strahlt bis heute einen ganz besonderen Reiz aus. Vor allem das geschnitzte Türportal und der Kachelofen verdienen gesteigerte Aufmerksamkeit.

So sehr die Ausstrahlung solcher Räume an das ausgehende 19. und das beginnende 20. Jahrhundert erinnert – Technik, Heizung, Aufzug und Licht im Solmsschlösschen befinden sich auf dem neuesten Stand. Das Schwimmbad im Untergeschoss hat Raule nachträglich einbauen lassen. Der Mann will fit bleiben, weshalb er jeden Morgen eine Dreiviertelstunde läuft, anschließend aufs Laufband geht und danach noch 15 Minuten seine Runden im Wasser dreht. Gesund bleiben will Raule aber nicht nur, um neben seiner Frau Ursula jeden Tag in seinem Solmsschlösschen zu genießen, sondern vor allem, um sich um seine Stiftung „Kleine Füchse“ zu kümmern.

Diese Stiftung, in die Horst Raule bislang 15 Millionen Euro eingebracht hat, will hochbegabte Kinder entdecken und fördern. Der Unternehmer hat in der Nachkriegszeit sehr unter dem Mangel an Bildungschancen gelitten, anderthalb Jahre fiel für ihn die Schule total aus. Sein Mietwagen-Imperium baute er auf, ohne je eine Universität von innen gesehen zu haben. Den Anlass zur Gründung der Stiftung gab die erste Pisa-Studie mit ihren katastrophalen Noten für das deutsche Schulsystem. Raule sagte sich: „Eine rohstoffarme Nation wie Deutschland kann auf Dauer nur bestehen, wenn sie für Bildung sorgt. Kein Talent sollte uns durch die Lappen gehen.“ Heute, in seinem 86. Lebensjahr, nimmt die Arbeit für die Stiftung einen Großteil seines täglichen Zeitbudgets in Anspruch.

Im Nachbarhaus des Solmsschlösschens hat er die Beratungsstelle der Stiftung untergebracht. Hier testen Psychologinnen Kinder auf eine Hochbegabung. Im selben Haus finden sich auch die Fortbildungsräume für die Erzieherinnen: Sie werden geschult, um in den Partner-Kitas der Stiftung rechtzeitig hochbegabte Kinder zu entdecken. Die Schulung ist deshalb nötig, weil hochbegabte Kinder ihr herausragendes Talent nicht immer von sich aus offenbaren: Ein Kind, das in der Kita die gestern gelernten Lieder heute nicht mehr wiederholen will, tut dies oft nicht aus Trotz, sondern aus Langeweile.

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