Wil: In der Raststätte Thurau wird ein Roboter getestet

2022-10-08 22:13:04 By : Ms. Olivia Hua

Der Serviceroboter soll das Personal entlasten, nicht ersetzen, sagt CEO Peter Hofstetter. Ein Augenschein zeigt: Manche Gäste finden den Roboter lustig, andere erschrecken noch, wenn sie von ihm angesprochen werden.

«Liebe Gäste, Ihre Bestellung ist da.» Das sagt nicht die Kellnerin, die Hamburger und Pommes schlussendlich doch auf den Tisch stellt. «Sarah» sagt das, als sie wenige Augenblicke zuvor mit dem Essen am Tisch ankommt. Sarah ist ein Roboter. Die Kellnerin aus Fleisch und Blut wünscht dann noch «En Guete». Mundart kann ihre neue Kollegin – noch – nicht.

Willkommen in der schönen neuen Welt der Autobahnraststätte Thurau. Bis Ende Oktober hat der «Bella-Bot» der Firma Sebotics dort Probezeit. Die Chancen, dass «Sarah», wie sie ihre menschlichen Mitarbeiterinnen nennen, im Restaurant der Raststätte bei Wil bleiben darf, stehen gut. In einer anderen Raststätte der Gruppe Thurau im Rheintal läuft seit einigen Wochen der gleiche Test. CEO Peter Hofstetter ist zufrieden.

Hofstetter, der mit seinem Schnauz und Hornbrille etwas an Johnny Depp erinnert, führt kurz durch das Restaurant. Tische, Stühle und Küchengeräte – alles wirkt immer noch nagelneu. Unter der Decke sind Fotos von Sujets entlang der Thur zu grossen Ringen angeordnet. Sie verkleiden die Tafeln, die Teil des ausgeklügelten Lüftungssystems des Gebäudes sind.

Nach dem Abbruch der alten Raststätte fiel die Wiedereröffnung im Herbst 2020 mitten in die Coronapandemie. Schon bei der Planung wurde der Zukunft buchstäblich Raum gelassen. Im Hintergrund gleitet der Roboter, beladen mit einer Pizza Prosciutto, flüssig und geräuschlos durch die Gassen zwischen Stühlen und Tischen. Bis zu 40 Kilo Geschirr, Glas und Besteck kann «Sarah» transportieren.

«Wenn man vor ein paar Jahren nach Asien blickte, wurde einem klar, dass die Automatisierung im Service früher oder später auch bei uns kommt», sagt Peter Hofstetter, der schon vor 20 Jahren einen Roboter zum Staubsaugen gekauft hat.

In der Raststätte Thurau stellt er sich dem Roboter in den Weg. «Bitte lassen Sie mich kurz durch», tönt die freundliche Stimme. Ein paar Tische weiter haben Margrit und René Haller Pommes und Burger bestellt. Der Roboter liefert, Hallers wirken überrascht, aber amüsiert. «Ich finde es lustig», sagt Margrit Haller. Auch ihr Mann fühlt sich unterhalten, fügt aber hinzu: «Zum Abladen kommt ja auch noch ein Kellner. Sie werden also nicht ersetzt.»

Werden sie nicht? «Nein», sagt Peter Hofstetter. Höchstens in den Spitzenzeiten liesse sich durch den Roboter vielleicht 30 Prozent eines Pensums einsparen. Genauere Angaben könne er noch nicht machen, weil die Testphase auch im Rheintal noch laufe.

Dort habe sich gezeigt, dass sich anfangs besonders die Stammgäste Sorgen machten, dass die Roboter dereinst das menschliche Personal ersetzen könnten. «Aber das kann ein Roboter nicht», sagt Hofstetter.

Die Entlastung von den Gängen zwischen Küche und Tischen verschaffe dem Personal mehr Luft, um mit den Gästen zu kommunizieren. So werde die zwischenmenschliche Komponente des Servierens sogar gestärkt.

Hier setzt auch Hofstetters wirtschaftliche Überlegung hinter dem möglichen Kauf des 20'000 Franken teuren Geräts an. «Wir erhoffen uns natürlich Mehrverkäufe.» Mit dem Roboter bleibe den Mitarbeitenden zum Beispiel mehr Zeit, um Kaffee und Dessert an den Gast zu bringen.

Ein Kellner, der bald sein 30-jähriges Dienstjubiläum in der Thurau feiert, widerspricht dem Chef nicht. Er sagt: «Für uns ist der Roboter eine Hilfe.» Auch die Bedienung sei einfach. Einfach die Tischnummer eintippen und abschicken. Zwar scheint er in manchen Situationen noch nicht so recht zu wissen, ob er ausweichen oder stehen bleiben soll, wenn ihm der Roboter entgegenkommt. Der Roboter und er arbeiten an diesem Tag zum ersten Mal zusammen.

Natürlich diene der Roboter auch dem Marketing, sagt Hofstetter offen. Besonders im Moment, da Serviceroboter hierzulande noch nicht weit verbreitet seien, könne man damit Aufmerksamkeit generieren:

Schichtleiter Robert Ploner schaltet sich ein: Als der Roboter in der ersten Testwoche in Wil einem Fünfjährigen ein Geburtstagsständchen sang, hätten die Gäste rundherum die Handys gezückt, um zu filmen; der Roboter macht die Runde in den sozialen Medien. Wenn man ihn zwischen den Katzenohren streichelt, macht er wohlige Geräusche. Schon beschwerten sich im Rheintal die ersten Gäste, wenn sie nicht vom Roboter bedient wurden, sagt Hofstetter.

Bis es bei Ivan Pusic so weit ist, dürfte es noch etwas dauern. Der Lastwagenchauffeur, der regelmässig in der Raststätte Thurau zu Gast ist, sagt: «Ich bin etwas erschrocken, als mich der Roboter angesprochen hat.» Er werde lieber von einem Menschen bedient. Aber er könne sich gut vorstellen, dass der Roboter die Servicemitarbeitenden entlaste.

Dass diese das so wahrnehmen, sei die Bedingung für den dauerhaften Einsatz des Roboters, sagt Peter Hofstetter: «Die Mitarbeitenden müssen den Nutzen sehen, sonst bringt es nichts.»