Mit Erfahrung und Kontakten durch die Krise: Abgeordnete Dr. Dörte Liebetruth (SPD) im Gespräch

2022-10-14 08:43:02 By : Ms. Florence Liu

Vor der Landtagswahl am 9. Oktober stellen wir die Direktkandidaten für den Wahlkreis 61 Verden-Achim vor. Heute im Gespräch: Dörte Liebetruth, seit 2017 Abgeordnete, Sozialdemokratin, alleinerziehende Mutter und erfahrene Netzwerkerin.

Kirchlinteln – Der Laptop steht aufgeklappt auf dem Couchtisch, daneben liegt ein Bilderbuch. Unmöglich zu sagen, ob Dr. Dörte Liebetruth gerade gearbeitet oder ihrer 16 Monate alten Tochter vorgelesen hat. Im Haus der SPD-Landtagsabgeordneten in einem Kirchlintler Wohngebiet ist es relativ kühl. „Aber ich gebe zu: Die Heizung habe ich bereits angestellt. Schließlich wohne ich hier nicht alleine“, sagt die 42-Jährige, die sich am 9. Oktober erneut zur Wahl stellen wird.

Die Heizkosten seien im Wahlkampf ein Riesenthema, erzählt die 42-Jährige auf dem Sofa sitzend, ihre Tochter auf dem Schoß. Die Menschen hätten verständlicherweise Sorge vor dem Winter. „Ich setze mich dafür ein, dass in dieser Krise niemand zurückgelassen wird“, sagt die alleinerziehende Mutter ernst.

Sie sei im Wahlkampf vielen Menschen begegnet, die „bisher nie gedacht hätten, dass sie mal in eine solche Lage kommen: dass sie nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen“. Deswegen habe sie in den vergangenen Wochen ganz bewusst Gespräche mit Organisationen wie der Sozial- und Schuldnerberatung oder der Tafel geführt. „Es ist sinnvoll, mehr Geld in Hilfe und Beratung zu investieren. Das ist nur ein kleiner Schritt, aber es ist wichtig, dass wir in diesen schweren Zeiten möglichst alle mit einbinden: Organisationen, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeber und natürlich Politik. Alle müssen jetzt tun, was möglich ist, damit niemand auf der Strecke bleibt.“

Liebetruth spricht wohlüberlegt und hat dabei immer ein Auge auf ihre kleine Tochter, die mittlerweile ein paar Meter weiter spielt. Die Politikerin berichtet von mittelständischen Unternehmen im Landkreis, insbesondere Bäckereien, die sich mit großer Sorge an sie gewandt hätten, weil sie ihre Energiekosten im Falle weiterer Preissteigerungen nicht mehr stemmen könnten. „Die Landesregierung unter Stephan Weil hat bereits reagiert und ein großes Bündnis ,Gemeinsam durch die Energiekrise’ gestartet. Es soll dezentrale Härtefallfonds geben, die vom Land mit zunächst 50 Millionen Euro unterstützt werden und verhindern, dass jemandem ansonsten Strom oder Gas abgedreht wird.“ Diese Maßnahmen könnten allerdings, da wolle sie seriös bleiben, immer nur eine Ergänzung sein zu den Entscheidungen des Bundes. Rettungsschirme seien wichtig, aber nicht so wichtig wie ein echter Energiepreisdeckel, der auf jeden Fall kommen müsse, ist die Sozialdemokratin überzeugt.

 Ich setze mich dafür ein, dass in dieser Krise niemand zurückgelassen wird.

Von der Energiekrise würden die Menschen ganz unterschiedlich betroffen sein: „Wer jetzt schon eine Wärmepumpe hat, ans Fernwärmenetz angeschlossen ist, der ist natürlich im Winter in einer ganz anderen Situation, als jemand, der auf Gas angewiesen ist“, sagt sie. Den Menschen sollen Informationen angeboten werden, auf welche Hilfen sie in der Krise bauen könnten. So werde ja bald der Kreis der Wohngeldberechtigten erweitert. „Wer dann Anspruch hat, sollte diese Hilfe unbedingt annehmen. Dafür ist der Staat ja da.“ Aber auf keinen Fall dürfe die Energiekrise dazu führen, dass die Politik die Klimakrise aus den Augen verliert. „Wir müssen gerade jetzt verstärkt auf Erneuerbare Energien setzen. In Verbindung mit grünem Wasserstoff können wir so klimaneutral werden, Arbeitsplätze sichern und neue zukunftsfeste Jobs schaffen.“

Mit Blick auf den Corona-Winter sehe sie nicht, dass es noch mal große Lockdowns geben wird. „Wir kennen ja mittlerweile eine Reihe Instrumente, die helfen: Impfungen und Masken vor allem.“ Sie finde, dass die SPD-Landesregierung gerade während der Pandemie gezeigt habe, dass sie krisenfest ist. „Es ist gut, mit Ministerpräsident Stephan Weil jemanden zu haben, der keine großen Sprüche klopft, der sich nicht profilieren will, sondern der gezielt an Lösungen arbeitet. In solchen Krisenzeiten kommt es auch auf Erfahrung an.“

Die Energiekrise dominiere zwar im Moment die Nachrichten, aber im Wahlkampf habe die Landespolitikerin die Erfahrung gemacht: „Es gibt schon auch noch andere Themen.“ Wenn sie derzeit an Haustüren klingele, um sich vorzustellen und um Kreuzchen bei der Erststimme zu werben, werde sie immer noch auf kaputte Straßen angesprochen oder auf die finanzielle Belastung von Eltern. „Dass wir die Kindergartengebühren abgeschafft haben, dafür sind viele Menschen immer noch dankbar. Stellen Sie sich mal vor, welche Belastung die Eltern in diesem Winter hätten, wenn sie das auch noch zahlen müssten.“

Auch die Anschaffung von Tablets für den Schulunterricht könne Eltern finanziell sehr belasten. Deswegen habe sie sich dafür eingesetzt, dass die „digitale Lehrmittelfreiheit“ ins Wahlprogramm der SPD aufgenommen wurde. „Das hätte zur Folge, dass alle Schüler mit den gleichen Geräten ausgestattet würden.“ Sehr froh sei sie außerdem über die Einführung des regionalen VBN-Tim-Tickets, das Schülern, Azubis und Freiwilligendienstleistenden ganz neue Mobilitätsmöglichkeiten eröffne und Familien finanziell entlaste.

Erfolgreich sei auch Liebetruths „Runder Tisch“ zum Thema Gesundheit im Landkreis Verden verlaufen. Ins Leben gerufen aufgrund des hiesigen Ärztemangels, damals insbesondere in der Gemeinde Dörverden, habe der Landkreis mittlerweile ein Projekt entwickelt, um der Situation entgegenzuwirken. Mediziner, die ihr Studium beendet haben, können sich um eine finanzielle Unterstützung bewerben, wenn sie sich im Kreis Verden niederlassen. „Es ist schön, wenn man gemeinsam mit ganz unterschiedlichen Akteuren Projekte entwickeln und damit die Region nach vorne bringen kann.“

Wo der Schuh im Kreis drückt, das notiere sie sich immer gleich sofort. Der Block wandere dann bekanntlich in Liebetruths prominentes Accessoire: den roten Rucksack, den die Sozialdemokratin seit Beginn ihrer politischen Karriere immer dabei hat und oft öffentlichkeitswirksam präsentiert.

Dörte Liebetruth vertritt seit fünf Jahren als direkt gewählte Abgeordnete den Wahlkreis 61 Verden-Achim im Niedersächsischen Landtag. Vorher arbeitete sie im Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung als persönliche Referentin von Ministerin Cornelia Rundt, war danach abgeordnet an die Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund und im Anschluss Leiterin der Geschäftsstelle zum Aktionsplan Inklusion für ein barrierefreies Niedersachsen. Liebetruth ist in der Gemeinde Kirchlinteln als ältestes Kind mit drei jüngeren Geschwistern aufgewachsen. Sie trat im Landesschülerrat für bessere Bildung ein. Nach dem Abitur am Gymnasium am Wall studierte sie in Hannover Medienmanagement mit Nebenfach Jura und engagierte sich als Landesvorsitzende der Jusos Niedersachsen sowie als Sprecherin des Deutschen Nationalkomitees für internationale Jugendarbeit. Seit 2016 ist Liebetruth Mitglied des Verdener Kreistages, seit 2021 Mitglied des Kirchlintler Gemeinderates. 

Ob die Presse einmal einen Blick in den legendären Rucksack werfen darf? Liebetruth erlaubt es. Im Rucksack finden sich zunächst einmal Unterlagen über die geplanten Bahnhalte in Dauelsen, Uphusen und Kirchlinteln. „Zu dem Thema hatte ich gerade einen rot-grünen Wahlkampftermin“, erklärt Liebetruth. Da ist das besagte Notizbuch, daneben eine Geldbörse, ganz unten ein Kosmetiktäschchen. Außerdem ein Mobiltelefon. „Darin habe ich alle wichtigen Kontakte abgespeichert, die mir bei meiner Arbeit weiterhelfen“, sagt Liebetruth. Damit ihr beim Netzwerken nie der Saft ausgeht, findet sich auch eine Powerbank in dem Rucksack, eine Flasche Wasser, ein Müsliriegel und eine Handvoll Kugelschreiber mit ihrem Namen darauf. Liebetruth lächelt. Sie ist gut organisiert und sie weiß das auch.

Ihre kleine Tochter kommt aufgeregt herbei gelaufen. Sie zeigt ganz stolz ihren eigenen Rucksack: Es ist ein Mini-Modell im Marienkäferlook. Mutter Dörte soll ihr den Käfer auf den Rücken schnallen. Während die Politikerin das geduldig tut, sagt sie: „Ich bin zuversichtlich, dass ich die Wahl am 9. Oktober gewinne. Aber machen wir uns nichts vor: Das wird bestimmt wieder eine ganz knappe Kiste.“ Ihr guter Listenplatz, Nummer 16, werde ihr nichts nützen. „Ich gehe davon aus, dass von der SPD wieder nur die Kandidaten in den Landtag einziehen werden, die direkt gewählt werden, das war auch 2017 schon so.“

Sie müsse nun darauf vertrauen, dass die Menschen im Wahlkreis ihr die Erststimme geben. „Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Menschen an der Landtagswahl beteiligen, einfach weil es wichtig ist, wer in Krisenzeiten dieses Land regiert.“

Ein gutes Schlusswort, finden alle, besonders die Tochter, die lange geduldig gewartet hat, aber jetzt wirklich mit ihrer Mama nach draußen gehen möchte – auf die Schaukel.