Wer hier vor der Tür steht, wird sofort aufgenommen - Drogenabhängige, Alkoholiker und mehrfach Süchtige. Ein Leben aus der Sucht zu finden, ist schwer. Die Fleckenbühler vertrauen auf kalten Entzug und Gemeinschaft. Wie sie das schaffen, zeigt jetzt ein neuer Imagefilm. Diesen hat ein ehemals Suchtkranker gedreht.
Wer eine der Regeln bricht, fliegt raus. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Zigaretten, keine Psychopharmaka, keine Gewalt. Wer sich dran hält, kann bleiben, so lange er will. „Als ich vor zehn Wochen hier ankam, hatte ich drei Flaschen Wodka intus“, sagt Tim (32).
Seit 17 Jahren trinkt er, sieben Jahre lang nahm er Kokain. Opiate blieben bis zum Schluss „und der Rest an Drogen auch gelegentlich“. Der schlanke blonde Mann erzählt das ohne Vorwurf, ohne Selbstmitleid. Er ist froh, dass er seit vier Jahren weg ist vom Kokain. „Der kalte Entzug war trotzdem hammerhart, voller Krämpfe und mit drei Wochen Entzugserscheinungen.“ Tim hatte bereits vorher zwei Langzeittherapien und fünf Entgiftungen hinter sich. „Der Druck war leider stärker als ich“, erklärt er seine Rückfälle sachlich.
Tim lebt mit 63 Männern und sieben Frauen bei den Fleckenbühlern in Niederrad. Der Verein nimmt hier seit 2003 Drogenabhängige auf. Es gibt keine Ärzte und keine Psychologen im Haus. Wer mit den Neuankömmlingen arbeitet, war früher selbst abhängig. Zusätzlich zu dem Haus in Frankfurt betreiben sie seit 2004 ein Jugendhaus im Schwalm-Eder-Kreis und seit 1984 einen Bauernhof in der Nähe von Kassel mit 250 Hektar Landwirtschaftsfläche, der Demeter-zertifiziert ist. Alle Produkte wie Käse, Brot und Fleisch werden von den Fleckenbühlern selbst hergestellt und vertrieben, was gemeinsam mit einem Café in Frankfurt, Catering-Service, einem Umzugsunternehmen und eigener Käserei, Bäckerei und Schreinerei rund 50 Prozent der Kosten deckt. Der Rest läuft über Spenden und über Zuschüsse vom Land Hessen.
Mathias Wald (44) fand zum Verein über das Internet. „Ich wollte etwas zurückgeben an Menschen, die helfen“, sagt er. Beeindruckt habe ihn vor allem das klare, bescheidene und niederschwellige Angebot. Der Filmemacher und Medienagenturinhaber aus Fulda hat nun einen Kurzfilm über und für die Fleckenbühler gedreht (er ist im Internet zu finden unter dem Link www.youtube.com. Matthias Wald war selbst nicht bei ihnen zur Therapie, „aber ich bekam ebenfalls Hilfe, als alles vorbei schien. Ich war zwölf Jahre lang selbst süchtig und bin seit 14 Jahren abstinent.“ Alkohol, LSD, Hasch, Amphetamine, Ecstasy und Kokain hatten ihn in Psychosen getrieben. „Ich habe es da rausgeschafft – und finde, das Konzept der Fleckenbühler ist ideal für alle, die suchtfrei leben wollen.“
Er zeigt in seinem Film auf, dass ein Großteil des Erfolges für ein Leben ohne Sucht aus Motivation, Hilfe zur Selbsthilfe und gegenseitiger Unterstützung basiert. „Wer hier wohnt, der kann sogar Schulabschlüsse nachholen, Ausbildungen bis zur Meisterprüfung machen und den Führerschein.“ Gegessen wird gemeinsam im großen Speisesaal, im großen hellen Wohnzimmer gibt es Bücher, Sofas und Sitzecken zum Reden und Ausspannen nach der Arbeit.
Die Zimmer haben jeweils ein bis vier Betten und sind gemütlich: Rotes Sofa, Einbauschränke aus Holz, Holzbetten, Bad mit Wanne und sanfte Farben. Bernd (56) lebt seit fast drei Jahren hier. Auf einem Regal steht eine Heintje-Schallplatte, an der Wand hängen Mandalas. Er ist zum zweiten Mal hier. „Vier Jahre lang bin ich nüchtern geblieben.“ Der Logistiker und Haustechniker kommt aus Leipzig. „Ich habe dort eine Entgiftung gemacht und bin sofort danach hierhergekommen. Die Ärzte haben gesagt, es wäre mein letzter Absturz gewesen.“ Er hat es wieder geschafft, arbeitet seither bei den Fleckenbühlern als Lagerwirtschafter in der Bäckerei. „Der Anfang hier ist schwer. Aber dann lässt es sich gut leben.“ Arbeit und Bewährung
Frank (23) putzt Fenster und setzt sich danach mit einem Würfelbecher an einen Glastisch im Wohnzimmer. Seit er 16 ist, nimmt der Aschaffenburger Drogen, vor allem Kokain. „Seit drei Wochen bin ich hier. Ich habe eine Reststrafe von 183 Tagen, die ich in der Therapie mache. Mein Bewährungshelfer hat sich dafür eingesetzt.“ Er wurde wegen Fahrens ohne Führerschein und dem Besitz von drei Gramm Betäubungsmittel zu zwölf Monaten Haft verurteilt. Sechs Monate hat er im Gefängnis abgesessen. „Drogen jeder Art werde ich nicht mehr nehmen“, sagt er. „Mir ist hier in der Gemeinschaft klar geworden, dass ich ein gutes Leben ohne Suchtmittel führen kann.“