CUS, 1960-2022

2022-10-16 01:06:58 By : Ms. Anna An

Bevor ich diesen Bericht verfasst habe, lieber Leser, habe ich lange auf dem Sofa gelegen und darüber nachgedacht, was ein mir persönlich nicht bekannter Mann wohl mit der Umschreibung „Akkuter Schöpfungsakt“ gemeint haben könnte, links auf dem Beistelltisch eine Tasse Kaffee und Lachgummis, rechts auf einem Holzblock ein Glas Cremant. Es ist mir nicht eingefallen.

Selten freitags, manchmal samstags, meistens aber in den lauen Stunden eines Sonntagnachmittags habe ich zur Süddeutschen Zeitung vom Freitag gegriffen, souverän mehrere Bücher redaktionellen Inhalts ignoriert und mir das innenliegende SZ-Magazin geschnappt, dort von hinten ein oder zwei Seiten zurückgeblättert, bis ich „Das Kreuz mit den Worten von CUS“ gefunden hatte, und mich dann mit einem Kugelschreiber an die am Anfang stets unlösbar erscheinende Aufgabe machte, dass quadratische Gitter mit Buchstaben zu füllen, die den Vorgaben entsprachen, die sich der Rätselautor ausgedacht hatte.

Nie ging es um einen finnischen See mit fünf Buchstaben (ENARI) oder ähnliche Kreuzworträtsel-Konfektionskost. Oft waren EHE oder EEG gefragt, allerdings mit Umschreibungen, die einen schon mal in Reichweite eines Nervenzusammenbruchs brachten, insbesondere, wenn die Lösung dann doch so naheliegend war. Seit 1990 verfasste CUS die Rätsel, und, wenn ich einer Statistik glauben darf, wurde das Wort EHE in dieser Zeit 111 mal erfragt.

Oft glich die Magazin-Seite nach dem langwierigen Lösungsprozess, der sich mitunter über Tage erstrecken konnte, einem Schlachtfeld. Mehrfach übermalte Buchstaben verschafften ganzen Arealen des Rätsels eine Art Quantenzustand, der mehrere Deutungen zuließ, bis schließlich am Ende eine Lesart obsiegte und Erleichterung sich breitmachte.

Nach all den Jahren hatte ich das Gefühl, dass mir der Mann, von dem ich nur die drei Buchstaben CUS kannte, vertraut geworden war. Man glaubte zu wissen, um welche Ecken er dachte. Manchmal sagte ich mir selbst, mit Kennermiene vermutlich, dass dieses oder jenes Rätsel nicht zu seinen besseren zählte, etwa dann, wenn zu viele Wörter nur aus einer Richtung erschlossen werden konnten.

Einmal, als offenbar im Druck eine Umschreibung verloren gegangen war, konnte ich nicht umhin, mich bei der Redaktion wie ein moppernder Rentner über die Nachlässigkeit zu beschweren. Der mit der Antwort beauftragte Redakteur, vermutlich ein armer Tropf, der sich an einen Berg von Beschwerden abarbeiten musste, gab mir recht, das dürfe nicht passieren.

Die Krönung des Werks von CUS waren für mich immer die reduziertesten Umschreibungen, ein Wort, meist ein Kompositum, oft mit geringfügig geänderter Rechtschreibung, das zu einem ganz anderen Sinn führte. Auf die Schnelle ließ sich jetzt kein richtig gutes Beispiel finden, vielleicht mag dies aber eine Ahnung davon geben: Britte! Ich habe Lösung jetzt nicht parat, vermute aber mal, dass es sich um PLEASE handelt, also wenn ein Brite bitte sagt.

Man freute sich jede Woche auf das neue Kreuz mit den Worten, und nie ist einem auch nur ansatzweise in den Sinn gekommen, dass derlei auch einmal ein Ende finden könnte. Bis zum Montag, 10. Oktober, als in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel mit der Überschrift „Abschied von CUS“ erschien. Der Rätselautor, in diesem Artikel erfuhr ich zum ersten Mal seinen Namen, Curt Schneider, war beim Wandern in den bayerischen Alpen abgestürzt und ums Leben gekommen.

Es ist anzunehmen, dass der gute Mann, so gewissenhaft, wie er über all die Jahre gearbeitet hat, noch ein paar Rätsel auf Halde hat, und so erschien auch nach seinem Tod gestern im Magazin der Süddeutschen Zeitung ein weiteres Rätsel, so, als ob die Serie kein Ende finden würde.

Ein paar nicht bearbeitete Gitterquadrate habe ich auch noch in den diversen Papierstapeln meines Zuhauses. Doch irgendwann wird es heißen, Abschied von einem Ritual zu nehmen, dass mich über weite Strecken meines Erwachsenenlebens begleitet hat. In dem Nachruf in der Süddeutschen Zeitung steht auch, wie CUS einmal eine Umschreibung mit dem Tod formuliert hat: „Der Tod kann uns alle mal“.

Die Lösung hieß: TREFFEN.

Und, nun also auch da noch ein Geistesblitz: PHOTOVOLTAIK.

Aber die Lösung ist natürlich nicht PHOTOVOLTAIK. Grrrr.

Danke, CUS, für all die Qualen und daraus folgenden Erleichterungen, die du mir bereitet hast!